Im Rahmen des interdisziplinären Projektes «NaTiMon» (www.nationales-tierwohl-monitoring.de) wurden zwischen 2018 und 2023 die Grundlagen zum Status quo und zur Entwicklung des Tierwohls in der Nutztierhaltung in Deutschland erarbeitet. Dabei handelt es sich um ein in der Gesellschaft kontrovers diskutiertes Thema. Verbraucher*innen geben in Umfragen immer häufiger an, dass ihnen ein verantwortungsvoller Umgang mit den Nutztieren wichtig sei. Die deutsche Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass Tierwohl von Nutztieren zu verbessern. Laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) ist für eine sachliche Bewertung jedoch ein geeignetes Messsystem notwendig. Ein Team aus zehn wissenschaftlichen Einrichtungen (siehe Abbildung) wertete dafür geeignete tier-, management- und ressourcenbezogene Indikatoren aus den Bereichen Gesundheit, Verhalten und Emotionen für Rinder, Schweine, Geflügel, Schafe, Ziegen, Regenbogenforellen und Karpfen aus.
Eine umfassende Literaturanalyse und Datenrecherchen führten zu einer Vorauswahl geeigneter Parameter und Indikatoren. Unter Einbezug der wichtigsten Akteure im Bereich des Tierwohls («Stakeholder-Analyse») wurden diese dann nach definierten Auswahlkriterien methodisch eingegrenzt. Zu den Auswahlkriterien gehörten Relevanz, Reliabilität und Validität, Praktikabilität, Zeitaufwand und Tierwohl-Dimension. Bereits auf nationaler Ebene vorliegende Daten wurden dabei berücksichtigt, z. B. aus dem Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere (HIT) oder der Milchleistungsprüfung. Die im Anschluss durchgeführten Betriebsbesuche machten eine Einschätzung der Praktikabilität und der Kosten der Erhebung der zuvor definierten Indikatoren möglich. Die Verwendung von Indikatoren führt zu einer faktenbasierten Diskussion. Zudem können die Wirksamkeit von Massnahmen sowie die Legitimation staatlicher Investitionen so evaluiert werden. Das Projekt wurde – als Bestandteil der Nutztierstrategie des BMEL – vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft mit rund 3 Mio. Euro gefördert. Auf der Abschlussveranstaltung vom 22. Juni 2023 in Berlin wurde nun das vierjährige Projekt mit der Übergabe von Modellberichten und den Empfehlungen für die Umsetzung eines bundesweiten Tierwohl-Monitorings zum Abschluss gebracht. Der Vorstellung und Diskussion der Projektergebnisse folgte eine Podiumsdiskussion über den Nutzen, die Risiken sowie die Umsetzung eines nationalen Tierwohl-Monitorings in Deutschland.
Die Diskussion veranschaulichte, dass die Zustimmung einer Notwendigkeit eines Monitorings in allen Institutionen und auf allen politischen Ebenen vorhanden ist. Aufgrund der unterschiedlichen Interessen der einzelnen Vertreter (Veterinärmedizin, agrartechnische und politische Institutionen) besteht jedoch Uneinigkeit über die Bewertung und die konkrete Durchführbarkeit einzelner Indikatoren. Die Kosten-Nutzen-Analyse ist noch nicht abschliessend geklärt und bevor Massnahmen ergriffen werden können, muss eine gesetzliche Grundlage erst geschaffen werden.
Das Projekt hat gezeigt, dass wir bereits hinreichend Wissen haben, die daraus resultierenden Massnahmen jedoch noch nicht ergriffen werden. Viele Daten werden in der Nutztierhaltung schon erhoben, dies jedoch von verschiedenen Organisationen und oft in einer nicht ausreichenden Qualität. So können derzeit keine systematischen und zusammenhängenden Auswertungen durchgeführt werden. Es müssen klare, reproduzierbare Klassifizierungen definiert und Abklärungen bezüglich des Datenschutzes gemacht werden. Die im Rahmen des Projekts «NaTiMon» erarbeiteten Modellberichte und Erhebungsleitfäden haben eine valide Grundlage zur Umsetzung eines nationalen Tierwohlmonitorings geschaffen. Die Ergebnisse des Projekts werden nun dem Bundestag übergeben, so dass entschieden werden kann, ob und wie eine gesetzliche Grundlage zur Umsetzung geschaffen werden kann.